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Das Geheimnis des Schlafs von A. Borbély
- Kapitel 6
Buchausgabe © 1984 Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart
(vergriffen)
Ausgabe für das Internet, 1998, A. Borbély, Universität
Zürich.
»Ich hab' die ganze Nacht
kein Auge zugemacht«
Schlaf- und Wachstörungen
Melde mir die Nachtgeräusche, Muse,
Die ans Ohr des Schlummerlosen fluten!
Erst das traute Wachtgebell der Hunde,
Dann der abgezählte Schlag der Stunde,
Dann ein Fischer-Zwiegespräch am Ufer,
Dann? Nichts weiter als der ungewisse
Geisterlaut der ungebrochnen Stille,
Wie das Atmen eines jungen Busens,
Wie das Murmeln eines tiefen Brunnens,
Wie das Schlagen eines dumpfen Ruders,
Dann der ungehörte Tritt des Schlummers
Conrad Ferdinand Meyer
Schlaflosigkeit - eine »Volkskrankheit«
?
Frau M. ist 56 Jahre alt und leidet seit längerer
Zeit unter Schlaflosigkeit. Wenn sie um elf Uhr abends zu Bett geht, liegt
sie ein bis zwei Stunden wach. Tagesereignisse und Probleme gehen ihr durch
den Kopf: Reibereien mit Kollegen im Geschäft; eine große Zahnarztrechnung,
die bald fällig ist; die Krankheit ihrer Mutter. Sie kann sich nicht
entspannen, muß unablässig an diesen Dingen »herumstudieren«,
und der Schlaf will und will nicht kommen. Jedesmal, wenn Frau M. zu Bett
geht, hat sie Angst, wieder nicht schlafen zu können. Morgens um 6.30
Uhr läutet der Wecker. Sie muß aufstehen, obwohl sie sich noch
müde und zerschlagen fühlt. Tagsüber kann sie sich schlecht
auf ihre Arbeit konzentrieren, sie ist mürrisch, reizbar und nervös.
Oft denkt sie: »Wenn ich nur einige Nächte gut schlafen könnte,
wäre ich ein neuer Mensch.« Sie hat schon vieles versucht, um
ihren Schlaf zu verbessern. Eine Zeitlang nahm sie Schlafmittel, die der
Arzt ihr verschrieben hatte. Sie schlief mit diesen Medikamenten zwar rascher
ein, fühlte sich aber anderntags müde und in einem unangenehmen
» gedämpften « Zustand. Einmal kam es sogar vor, daß
sie im Bus auf dem Weg zur Arbeit einnickte. Nach einiger Zeit ließ
die Wirkung des Schlafmittels nach. Sie versuchte dann, ohne Medikamente
auszukommen. Doch nach dem Absetzen des Mittels wurden die Nächte
schlimmer als je zuvor. Bis 3.00 Uhr morgens lag sie wach und wenn sie
endlich eingeschlafen war, wachte sie nach kurzer Zeit wieder auf.
Frau M. ist mit ihrer Schlafstörung nicht allein:
Millionen von Menschen liegen Nacht für Nacht wach und warten vergeblich
auf erholsamen Schlaf. In einer Umfrage, die Personen mittleren Alters
in der Schweiz erfaßte, gab mehr als die Hälfte der Befragten
an, zumindest gelegentlich an Schlafstörungen zu leiden. Bei 7 Prozent
der Männer und bei 12 Prozent der Frauen war der Schlaf sogar
fast jede Nacht gestört. Diese Zahlen stimmen im großen und
ganzen mit Umfragen in anderen Ländern überein. In einer amerikanischen
Erhebung bei erwachsenen Personen war bei 6 Prozent der Befragten
der Schlaf so gestört, daß sie ärztliche Hilfe suchten.
Bei ungefähr der Hälfte dieser schlafgestörten Patienten
verschrieb der Arzt ein Schlafmittel.
In allen Umfragen fallen vor allem zwei Befunde
immer wieder auf: 1. Schlafstörungen sind bei Frauen häufiger
als bei Männern; 2. Schlafstörungen nehmen mit fortschreitendem
Alter zu. Die Störungen äußern sich gewöhnlich in
drei verschiedenen Formen, die einzeln, aber auch zusammen auftreten können.
Die vielleicht bekannteste Störung ist die Einschlafstörung,
die - wie wir bei Frau M. gesehen haben - sich in einem quälenden
Wachliegen äußert, das in Extremfällen mehrere Stunden
andauern kann. Während gute Schläfer ins Bett gehen und innerhalb
von wenigen Minuten in den Schlaf sinken, läßt bei Schlafgestörten
das Einschlafen lange auf sich warten. Der Schlaflose wälzt sich von
einer Seite auf die andere, hört vom Kirchturm die Uhr schlagen und
wartet vergeblich auf den erlösenden Schlaf. Eine zweite Form der
Schlafstörung äußert sich im häufigen Erwachen nachts.
Der Schlaf ist zu oberflächlich. Der Schlafende wacht oft auf, schläft
meistens sogleich wieder ein, kann aber auch längere Zeit wachliegen.
Diese Form der Schlafstörung wird auch als Durchschlafstörung
bezeichnet. Eine dritte Störung ist das vorzeitige Erwachen in den
Morgenstunden. Der Schlafgestörte erwacht beispielsweise um 4.00 Uhr
morgens und kann nicht mehr einschlafen.
Wenn wir den Schlaf im Schlaflabor mit den im Kapitel
2 bereits beschriebenen Methoden untersuchen, können wir in
vielen Fällen eine Einschlaf- oder Durchschlafstörung objektiv
nachweisen. Wir finden eine verlängerte Einschlafzeit, einen unterbrochenen
Schlaf oder eine Verkürzung der Gesamtschlafzeit (Abbildung
6.2). Interessanterweise gibt es aber auch eine beträchtliche
Zahl von Schlafgestörten, die zwar angeben, während der ganzen
Nacht kein Auge geschlossen zu haben, gemäß den Registrierungen
im Schlaflabor aber mehrere Stunden lang geschlafen haben. Häufig
überschätzen diese Personen auch die Zeit, die sie bis zum Einschlafen
benötigen. So gaben in einer größeren Untersuchung schlafgestörte
Patienten an, im Mittel mehr als eine Stunde zum Einschlafen zu benötigen,
während Registrierungen eine Einschlafzeit von weniger als 30 Minuten
ergaben. Kann aus solchen Befunden geschlossen werden, daß Schlafgestörte
eigentlich Simulanten sind?
Das wäre eine völlig verfehlte Schlußfolgerung.
Gestörter, schlechter Schlaf ist eine Beschwerde, die, ähnlich
wie das Schmerzgefühl, auf der eigenen Erfahrung basiert, weswegen
es sinnlos ist, die Erfahrungstatsache aufgrund objektiver Meßgrößen
in Frage zu stellen. Wenn ein Patient über ungenügenden, wenig
erholsamen Schlaf klagt, so muß diese Beschwerde auch dann ernstgenommen
werden, wenn sie nicht objektiviert werden kann.
Die Diskrepanzen zwischen objektiver und subjektiver
Schlafqualität werfen indessen eine außerordentlich wichtige,
wenn auch noch weitgehend ungeklärte Frage auf: Welche Aspekte des
Schlafes sind für das Gefühl, gut und erholsam zu schlafen, wesentlich?
Vieles deutet darauf hin, daß in dieser Hinsicht von Person zu Person
große Unterschiede bestehen. Anders läßt sich nicht verstehen,
warum Leute, die nur einen sehr kurzen, unterbrochenen Schlaf aufweisen,
mit ihrem Schlaf durchaus zufrieden sind, während andere über
gestörten Schlaf klagen, obwohl objektiv wenig Abnormitäten erkennbar
sind. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn ein Zusammenhang
zwischen objektiven Meßgrößen (z. B. bestimmten EEG-Mustern)
und der subjektiven Schlafqualität gefunden werden könnte. Bisher
sind aber alle Bemühungen erfolglos geblieben.
Es ist möglich, daß Schlafgestörte
eine Gruppe in der Bevölkerung bilden, die besonders empfindlich auf
Schlafveränderungen und Schlafentzug reagiert und diese auch negativer
bewertet. Man hat vermutet, daß bei solchen Personen Körperfunktionen
auch nach dem Einschlafen aktiviert bleiben und daß daher der objektiv
feststellbare Schlaf subjektiv nicht als Schlaf erlebt wird. Schließlich
muß auch festgehalten werden, daß bei einer Untergruppe von
Schlafgestörten Depressionen und Angstgefühle vorherrschen und
daß die Schlafstörung in diesen Fällen als Ausdruck einer
allgemeinen psychischen Störung betrachtet werden muß.
Die Ursachen von Schlafstörungen sind also
außerordentlich mannigfaltig. In der bereits erwähnten schweizerischen
Umfrage wurde als häufigste Ursache angegeben, daß man bestimmte
Gedanken nicht aus dem Kopf bekommt. Ein Mädchen kann wegen ihres
Liebeskummers nicht schlafen; Frau M. beschäftigen Konflikte am Arbeitsplatz,
finanzielle Probleme und die Krankheit ihrer Mutter. Der Manager steht
auch nachts noch unter dem Streß seiner Arbeit am Tage und bereitet
in Gedanken bereits die morgige Sitzung vor. Obwohl er übermüdet
ist, kann er nicht einschlafen. Für ihn wie für viele andere
trifft leider das Goethe-Wort nicht zu:
Süßer Schlaf! Du kommst wie ein reines
Glück ungebeten, unerfleht am willigsten. Du lösest die Knoten
der strengen Gedanken, vermischest alle Bilder der Freude und des Schmerzes,
ungehindert fließt der Kreis innerer Harmonien, und eingehüllt
in gefälligen Wahnsinn, versinken wir und hören auf zu sein.
Aber nicht nur belastende, sondern auch freudige
Gedanken können das Einschlafen verzögern. Am Vorabend ihres
Geburtstages erschien meine achtjährige Tochter gegen Mitternacht
im Wohnzimmer und erklärte, sie könne einfach nicht einschlafen:
» Ich freue mich so sehr auf den morgigen Tag! «
Oft sind es Krankheiten, die den Schlaf beeinträchtigen:
Schmerzen hindern den Kranken am Schlaf, obwohl gerade er den erlösenden,
»süßen« Schlaf am sehnlichsten herbeiwünscht.
Bei anderen sind es der quälende Husten oder die Atemnot, die den
Schlaf nachts immer wieder unterbrechen.
Bei Gesunden sind es oft Bedingungen der Umgebung
und Umwelt, die den Schlaf stören: Der dicht an den Wänden des
Schlafzimmers vorbeibrausende Großstadtverkehr kann als ständiger,
nächtlicher Ruhestörer wirken. In der erwähnten Umfrage
war der Lärm von Straßen- und Flugzeugverkehr die meistgenannte
Ursache für täglich auftretende Schlafstörungen. Die Nachtruhe
ist heute offenbar ein Privileg geworden, auf das viele Menschen verzichten
müssen.
Schließlich muß noch das Wetter als
eine, wenn auch schlecht definierbare Ursache von Schlafstörungen
genannt werden. Es ist bezeichnend, daß in der erwähnten Umfrage
»Föhn und Wetterumschlag« als die zweithäufigste
Ursache gelegentlicher Schlafstörungen angegeben wurde. In einer der
wenigen Untersuchungen zu diesem Thema ergab sich, daß sowohl besonders
hoher als auch besonders tiefer Luftdruck das Schlafbedürfnis tagsüber
begünstigt. Leider ist aber über den Zusammenhang zwischen Wetter
und Schlaf noch zu wenig bekannt. Vor allem wissen wir noch nicht, woran
es liegt, daß gewisse Menschen auf Wetterveränderungen empfindlich
reagieren, während andere solche Einflüsse überhaupt nicht
wahrnehmen.
Es ist eine Erfahrungstatsache, daß man am
besten in vertrauter Umgebung schläft, wo man sich geborgen und zu
Hause fühlt. Ein fremdes Bett in einem Hotelzimmer und ungewohnte
Geräusche nachts können den Schlaf beeinträchtigen. Auch
Versuchspersonen, die im Schlaflabor untersucht werden, schlafen gewöhnlich
in der ersten Nacht schlecht. Ihre Einschlafzeit ist verlängert, die
erste REM-Schlafepisode tritt verspätet auf, Stadienwechsel und kurze
Aufwachphasen sind häufig. Aus diesem Grunde wird in Schlafuntersuchungen
die erste Nacht als Anpassungsnacht betrachtet und nicht ausgewertet.
Nicht nur die Bedingungen nachts, sondern auch die
dem Schlaf vorangehende Zeit kann den Schlaf beeinflussen. So ist eine
ungewöhnlich intensive körperliche oder geistige Tätigkeit
in den Abendstunden dem Schlaf abträglich. Auch eine schwere Mahlzeit
abends kann sich störend auswirken, besonders dann, wenn sie mit reichlichem
Genuß von Alkohol, Kaffee und Nikotin verbunden ist. Daß schließlich
auch die Zeit des Zubettgehens wichtig ist, werden wir im Kapitel über
biologische Rhythmen noch sehen.
Bisher haben wir mehr oder minder gut definierbare
Ursachen von Schlafstörungen betrachtet. Bei vielen Schlafgestörten
sind aber solche nicht ohne weiteres erkennbar. Vor allem im fortgeschrittenen
Alter treten häufig Schlafstörungen auf, ohne daß diese
auf eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden könnten.
Offenbar wird im Alter der Schlaf »brüchiger« und kann
nicht mehr während mehreren Stunden ununterbrochen andauern. Solche
altersbedingten Schlafveränderungen können - müssen aber
nicht- als Störung erlebt werden.
Bei schweren Schlafstörungen unbekannter Ursache
muß der Arzt zu klären versuchen, ob verborgene psychische Störungen
vorliegen. Schlafstörungen sind oft ein erstes Anzeichen einer Depression,
welche unter Umständen versteckt (larviert) auftritt und deshalb nicht
ohne weiteres erkennbar ist. In solchen Fällen muß sich die
Behandlung auf die eigentliche Erkrankung, nicht auf das Symptom Schlafstörung
richten. Auf das Thema »Schlaf und Depression« werden wir in
anderem Zusammenhang noch zurückkommen (Kapitel 11 und 12). Aber nicht
nur bei Depressionen, sondern auch bei anderen psychischen Erkrankungen
und Suchtkrankheiten (z. B. Alkoholismus) sind Schlafstörungen häufig.
Abb. 6.1: Schlaflosigkeit. »O Lune!... Inspire-moi
ce soir quelque petite pensée...« (Honoré Daumier,
1844) (56k JPG file)
Abb. 6.2: Schlafstörung. Einschlaf- und Durchschlafstörung.
Schlafprofil eines Patienten, der nach dem Zubettgehen während 40
Minuten nicht einschlafen kann, nachts mehrmals erwacht und um 5 Uhr nicht
mehr weiterschlafen kann. Außerdem ist der Tiefschlafanteil (Stadium
3 und 4) gering und der Wechsel zwischen den Schlafstadien auffallend häufig.
(16k JPG file)
Abb. 6.3: Zuweilen haben Schlafstörungen äussere
Ursachen. »Brigand de propriétaire«. (Honoré
Daumier, 1847) (61k JPG file)
Wege zu besserem Schlaf
Was kann man gegen Schlafstörungen unternehmen?
Soll man den Arzt aufsuchen oder auf eigene Faust Maßnahmen ergreifen?
Sind Schlafmittel die einzig wirksame Lösung oder gibt es noch andere
Möglichkeiten? Führen Schlafstörungen zu gesundheitlichen
Schädigungen? - Das sind einige der Fragen, die einem Schlafforscher
immer wieder gestellt werden. Wenden wir uns zuerst der letztgenannten
Frage zu. Wenn der Schlaf während ein bis zwei Nächten gestört
ist, reagieren manche Leute schon mit Sorge und Angst und befürchten
nachteilige gesundheitliche Auswirkungen. Diese Befürchtungen sind
unbegründet. Kurzdauernde, gelegentlich auftretende Schlafstörungen
kommen bei den meisten Menschen vor und bedürfen keiner speziellen
Behandlung, da sie gewöhnlich von selbst verschwinden. Auch die sich
dadurch ergebende Verkürzung der Schlafdauer hat keine ernsthaften
Auswirkungen auf Befinden oder Gesundheit. Stellt man fest, daß Schlafstörungen
häufiger werden, sollte man zunächst versuchen, sich über
die möglichen Ursachen klar zu werden. Kommt man vielleicht von Problemen
nicht los, die einen unaufhörlich beschäftigen? Sind es Spannungen
im persönlichen oder beruflichen Bereich, die sich negativ auf den
Schlaf auswirken? Füllen anspruchsvolle, anstrengende Tätigkeiten
die Abendstunden aus, so daß sich die Probleme auch nachts im Kopf
noch »weiterdrehen«? Oder ist es vielleicht das übermäßige
Rauchen am Abend, das dann den Schlaf beeinträchtigt?
Zuweilen läßt sich der Schlaf schon allein
dadurch deutlich verbessern, daß folgende Regeln der »Schlafhygiene«
befolgt werden:
1. Regelmäßige Bettzeit. Der Schlaf
ist Teil eines biologischen Tagesrhythmus (siehe Kapitel 11) und sollte
jeweils in der gleichen Periode des 24-Stunden-Zyklus erfolgen. Unregelmäßige
Schlafzeiten wirken sich negativ auf den Schlaf aus.
2. Die Abendstunden sollten der Muße und
Entspannung gewidmet sein. Intensive körperliche oder geistige
Tätigkeiten können den Schlaf beeinträchtigen. Auch schwere
Mahlzeiten abends sind nicht ratsam.
3. Kein Mittagsschlaf. Beim Vorliegen von
Schlafstörungen ist es von Vorteil, auf den Schlaf tagsüber zu
verzichten, um nicht dadurch das Schlafbedürfnis abends zu verringern.
4. Kein Koffein, Alkohol und Nikotin. Koffeinhaltige
Getränke (Kaffee, Tee, Coca-Cola) und starkes Rauchen haben eine stimulierende
Wirkung auf das Nervensystem und sind daher in den Stunden vor dem Zubettgehen
zu meiden. Obwohl ein Gläschen vor dem Schlafengehen das Einschlafen
begünstigen kann, wirken sich größere Mengen von Alkohol
schlafstörend aus.
5. Günstige Schlafbedingungen: Geschlafen
werden sollte in einem ruhigen, abgedunkelten, gut gelüfteten und
nicht zu stark geheizten Raum. Das Bett sollte genügend groß
sein, um entspanntes Liegen und Bewegungen zu erlauben. Viele Leute bevorzugen
flache, nicht zu weiche Bettunterlagen.
Die Beachtung dieser einfachen Grundsätze kann
den Schlaf bereits verbessern. Sollten aber nachts dennoch Schlafstörungen
auftreten, so ist es ratsam, aufzustehen und sich zu beschäftigen
(Lesen, Handarbeit usw.), anstatt schlaflos im Bett zu bleiben. Bei länger
dauernden hartnäckigen Schlafstörungen sollte unbedingt der Arzt
konsultiert werden.
Verschiedene Entspannungsübungen wurden zur
Förderung des Schlafes vorgeschlagen. Ihre Anwendung beruht auf der
Annahme, daß vielen Schlafstörungen eine fortbestehende Aktivierung
des Organismus zugrunde liegt, die sich in übermäßiger
Muskelspannung, zu hoher Pulsfrequenz und Körpertemperatur äußert.
Diese Annahmen sind allerdings noch ungenügend belegt, da bisher ein
ursächlicher Zusammenhang zwischen Aktivierung und Schlafstörung
nicht nachgewiesen wurde.
Entspannungstherapien haben also zum Ziel, die Überaktivität
der Körperfunktionen zu dämpfen und damit den Schlaf zu ermöglichen.
Die bei uns am besten bekannte Therapieform ist das Autogene Training.
Man übt dabei, durch Vorstellungskraft ein Wärme- und Schweregefühl
in den Gliedern zu erzeugen, was gleichzeitig mit einer beruhigenden Muskelentspannung
einhergeht. Andere Beispiele ähnlicher Entspannungstherapien sind
die sogenannte »Progressive Relaxation« und das »EMG-Biofeedback
Training«. Bei der letztgenannten Methode werden wie im Schlaflabor
die elektrischen Ströme der Willkürmuskulatur (EMG) abgeleitet
und der Versuchsperson durch einen Ton rückgemeldet (daher der Ausdruck
Feedback). Aufgabe der Versuchsperson ist es zu lernen, den Ton für
immer längere Zeitperioden zum Verschwinden zu bringen und sich auf
diese Weise immer besser zu entspannen. Obwohl bei gewissen schlafgestörten
Patienten Erfolge erzielt wurden, haben sich diese Methoden nicht als allgemein
anwendbare Behandlungsformen von Schlafstörungen erwiesen. Dies trifft
auch für die Psychotherapie zu, die versucht, die den Schlafstörungen
zugrunde liegenden Konflikte zu behandeln. Die mannigfaltigen Ursachen
der Störungen sowie die Schwierigkeit, den Erfolg der Behandlungen
zuverlässig festzustellen, erschweren die Beurteilung nichtmedikamentöser
Behandlungsformen und lassen bis heute keine allgemein gültigen Schlußfolgerungen
zu. Aber ein Vorteil dieser Techniken ist zweifellos das Fehlen unerwünschter
Nebenwirkungen und anderer Risiken. Positiv ist auch zu bewerten, daß
der Schlafgestörte veranlaßt wird, durch seine eigene Initiative
die Störung zu beheben und nicht nur in einer passiven Haltung auf
Hilfe von außen zu warten. Gerade die Therapie mit Schlafmitteln
erfordert vom Patienten sehr wenig eigene Initiative. Er schluckt vor dem
Schlafengehen die ihm verschriebene Tablette und überläßt
alles weitere der chemischen Wirkung des Medikaments. Er nimmt dabei Nacht
für Nacht seine Tablette ein und ist überzeugt, ohne das Schlafmittel
nicht mehr schlafen zu können. Durch dieses Verhalten wird er nach
und nach die bequeme chemische Krücke als Dauerlösung akzeptieren
und nicht versuchen, den Ursachen seiner Schlafstörung nachzugehen.
Es ist daher nochmals zu betonen, daß Schlafmittel keine Heilmittel
sind, sondern nur eine vorübergehende Notlösung darstellen. Wie
bei der Behandlung von Schmerzen sollte auch bei Schlafstörungen die
Linderung der Pein nur der erste Schritt sein, auf den dann die echte Heilbehandlung
folgt.
Schlafwandeln
Der mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen
auf dem Dachfirst balancierende Schlafwandler gehört zum festen Bestand
von Witzzeichnungen. Viele Mythen umranken diesen merkwürdigen und
rätselhaften Zustand, in welchem Schlafen und Wachen in paradoxer
Art verknüpft scheinen. Lange Zeit war man der Ansicht, der Schlafwandler
werde von seinem Traumgeschehen beherrscht und lebe gleichsam seine Träume
aus. Neuere Untersuchungen haben diese Auffassung nicht bestätigt.
So zeigten Registrierungen im Schlaflabor, daß Schlafwandeln im Tiefschlaf
(Stadium 3 und 4) beginnt, in welchem Traumerlebnisse selten sind. Der
Schläfer bleibt während kürzerer Schlafwandelepisoden in
diesem Schlafstadium, während sich bei längeren Episoden das
EEG in Richtung auf ein Einschlaf- oder Wach-EEG ändert. Intensität
und Dauer von Schlafwandelereignissen können sehr unterschiedlich
sein. Bei ganz kurzen Episoden sitzt der Schläfer lediglich im Bett
auf, murmelt einige meist unverständliche Worte und legt sich sogleich
wieder hin. Bei längeren Episoden steigt er aus dem Bett, geht im
Zimmer umher oder zieht sich sogar an. Seine Augen sind dabei gewöhnlich
offen, der Gesichtsausdruck bleibt starr. Der Schlafwandler kann offenbar
sehen, denn er weicht Möbeln oder anderen Hindernissen aus. Auf einfache
Fragen kann er einsilbige Antworten geben. Oft legt er sich außerhalb
des Bettes - z. B. in der Badewanne - nieder und ist morgens sehr erstaunt,
in ungewohnter Umgebung zu erwachen.
Es ist aber ein verbreiteter Irrglaube, daß
sich Schlafwandler mit »schlafwandlerischer Sicherheit« bewegen.
Unfälle sind häufig, und die Verletzungsgefahr ist darum auch
der bedrohlichste Aspekt dieses Zustandes. Schlafwandler sind schon aus
dem Fenster gestürzt, weil sie es vermutlich für die Türe
hielten. Um gleich zu Beginn einer Episode zu erwachen, werden gelegentlich
schon abends bestimmte Vorkehrungen getroffen. Beispielsweise wird eine
Wanne mit kaltem Wasser neben das Bett gestellt oder eine Schnur an den
Bettpfosten geknüpft, deren anderes Ende sich der Schlafwandler um
den Leib bindet. Doch auch solche Maßnahmen sind nicht unbedingt
wirksam, weil ein Schlafwandler das Wasser neben dem Bett ohne weiteres
vermeiden und sogar die Schnur im Schlaf losbinden kann. Bei Kindern ist
Schlafwandeln relativ häufig und kann sogar absichtlich hervorgerufen
werden, indem man ein Kind im Tiefschlaf auf die Beine stellt. Obwohl die
Ursache des Schlafwandelns noch ungeklärt ist, scheint diese Schlafstörung
in bestimmten Familien gehäuft aufzutreten, so daß eine erbliche
Veranlagung wahrscheinlich ist. In den meisten Fällen verschwindet
das Schlafwandeln mit dem Erwachsenwerden von selbst.
In gewissem Sinne bildet das Schlafwandeln ein Gegenstück
zum Träumen. Der Träumende erlebt eine reichhaltige, farbige
Welt, in der sich Seltsames zuträgt. Seine Muskelspannung ist jedoch
- mit Ausnahme kurzer Zuckungen und rascher Augenbewegungen - vollständig
verschwunden. Der Schlafwandler hingegen bewegt sich fast wie ein Wacher,
befindet sich dabei aber in einem traumlosen Dämmerzustand, an den
er sich nach dem Erwachen nicht erinnern kann. Träumen wie Schlafwandeln
zeigen eindrucksvoll, daß der Schlaf kein einheitlicher Zustand ist,
sondern daß durchaus auch wachähnliche Erlebnisse und Aktivitäten
im Schlaf auftreten können.
Abb. 6.4: »Der Schlafwandler« (Honoré
Daumier) (83k JPG file)
Narkolepsie und Schlafsucht
Die Narkolepsie ist eine Störung des Wachzustandes,
die durch Schlafanfälle tagsüber gekennzeichnet wird. Obwohl
sie keine häufige Krankheit ist (etwa ein Fall pro 1000 bis 2000 Personen),
ist die Gesamtzahl der betroffenen Personen doch beträchtlich (in
den USA etwa 100'000). Auch die Narkolepsie tritt gehäuft innerhalb
gewisser Familien auf, so daß eine vererbbare Veranlagung angenommen
wird.
Betrachten wir eine Fallstudie, die vom amerikanischen
Schlafforscher Peter Hauri berichtet wird: R. war ein sechsunddreissigjähriger
Bauer, der seit seinem 17. Lebensjahr über Tag dreimal während
10-15 Minuten schlief. Seine Freunde und Bekannten schrieben diese auffällige
Eigenart seiner Faulheit zu. R. zeigte aber noch eine weitere Merkwürdigkeit:
Jedesmal, wenn ihn seine Kinder wütend machten und er
sie zurechtweisen oder strafen wollte, wurden ihm plötzlich die Knie
schwach, so daß er sich hinsetzen mußte und gelegentlich sogar
kraftlos zu Boden sank. Er betrachtete diese Schwäche als ein psychologisches
Problem und suchte deswegen bei einem Psychotherapeuten Hilfe. Bei einer
Untersuchung in der Schlafklinik wurde zunächst eine Aufzeichnung
des Tagschlafs durchgeführt. Dabei wurde deutlich, daß bei R.
sofort nach dem Einschlafen der REM-Schlaf auftrat, was bei gesunden Personen
äußerst selten vorkommt. Auf dem Hintergrund der Krankengeschichte
bestätigte diese Beobachtung, daß es sich um eine Narkolepsie
handelte, die dann in der Folge mit Medikamenten behandelt werden konnte.
Die auffälligste Störung bei einer Narkolepsie
besteht im unwiderstehlichen Schlafbedürfnis, das mehrmals pro Tag
auftreten kann. Nach einer solchen kurzen Schlafepisode erwacht der Patient
jeweils erfrischt. Aber nicht nur der Wachzustand, sondern auch der Nachtschlaf
ist in den meisten Fällen stark gestört. In der Abbildung
sehen wir den über einen Monat aufgezeichneten Ruhe- /Aktivitäts-Rhythmus
eines Gesunden und eines Narkoleptikers. Diese, in Zusammenarbeit mit Albert
Wettstein, Oberarzt an der Neurologischen Universitätsklinik Zürich,
vorgenommene Aufzeichnung zeigt eindrücklich die häufigen Schlafepisoden
tagsüber sowie die stark gestörten Nächte, die sich von
der klar abgegrenzten Ruhezeit des Gesunden deutlich unterscheiden.
Narkoleptische Schlafattacken können unter
ganz ungewöhnlichen Umständen auftreten, z. B. während des
Essens oder Radfahrens, ja sogar im Verlaufe des Geschlechtsverkehrs. Wie
im Falle von R. wird die Störung oft lange nicht als Krankheit erkannt,
sondern als Charaktereigenschaft des Patienten angesehen, was dann zu Schwierigkeiten
in den zwischenmenschlichen Beziehungen führen kann. Weitere Erscheinungen
können, müssen aber nicht die Schlafattacken begleiten. Wie wir
im Falle von R. gesehen haben, trat gelegentlich eine plötzliche Muskelschwäche
(eine sog. Kataplexie) auf. Typischerweise wird dieser Schwächezustand
durch starke Emotionen (Wut, Angst, Lachen) ausgelöst. Schon ein lustiger
Witz kann bewirken, daß die Muskelspannung der Beine nachläßt
und der Patient kraftlos zu Boden sinkt. Er bleibt dabei bei Bewußtsein
und erhebt sich nach wenigen Sekunden wieder.
Auch bei Gesunden kann es vorkommen, daß bei
einer Schreckensnachricht »die Knie weich werden«. Diese an
sich normale Reaktion scheint also bei Narkoleptikern übermäßig
ausgebildet zu sein. Ein ebenfalls bei Gesunden zumindest ansatzweise auftretendes
weiteres Symptom der Narkolepsie ist die Schlaflähmung. Beim Einschlafen
oder beim Erwachen kann sich der Patient nicht bewegen und fühlt sich
für Sekunden bis Minuten gelähmt, ein Zustand, der von starken
Angstgefühlen begleitet wird. Eine Berührung von außen
bringt die Lähmung zum Verschwinden. Narkoleptische Patienten berichten
schließlich auch oft über ausgesprochen lebhafte, traumähnliche
Erlebnisse beim Einschlafen oder beim Aufwachen, die ebenfalls mit Angstgefühlen
einhergehen können.
Die Ursache der Narkolepsie ist unbekannt. Die Schlafattacken
sowie ihre Begleiterscheinungen lassen aber vermuten, daß eine Störung
des Gleichgewichts zwischen REM-Schlaf und Wachzustand vorliegt. Sowohl
der mit REM-Schlafperioden beginnende Tagesschlaf als auch der plötzliche
Verlust der Muskelspannung (Kataplexie), die Schlaflähmung und ebenso
die intensiven Traumerlebnisse weisen auf eine mangelhafte Abgrenzung des
REM-Schlafs vom Wachzustand hin. Daß die Störung nicht nur auf
den Menschen beschränkt ist, hat eine Beobachtung erst kürzlich
gezeigt, als Narkolepsie bei einer Hunderasse festgestellt wurde.
Betrachten wir nun eine weitere Störung anhand
einer Krankengeschichte: S. leidet tagsüber unter übermäßiger
Schläfrigkeit. Schon seit seiner Kindheit konnte er morgens kaum aufwachen
und mußte minutenlang heftig geschüttelt werden, bis er endlich
aufstand. Als Knabe bastelte er sich einen besonders lauten Wecker, da
er gewöhnliche Wecker nicht hörte. Mit seinem Getöse weckte
der Spezialwecker zwar alle Familienmitglieder und sogar die Nachbarn,
aber S. schlief weiter. War es ihm endlich gelungen aufzustehen, konnte
er sich zwar anziehen und das Frühstück vorbereiten, doch taumelte
er noch eine Stunde lang schlaftrunken umher und hatte Mühe, wach
zu bleiben. Tagsüber blieb er schläfrig. Obwohl er einen ausgedehnten
Mittagsschlaf pflegte, fühlte er sich auch nachmittags nach dem Aufwachen
nicht ausgeruht. Diese Krankengeschichte weist darauf hin, daß S.
unter Schlafsucht (Hypersomnie) litt, einer Störung, deren Ursachen
noch ungeklärt sind. Auch in diesem Fall scheint das Gleichgewicht
zwischen Wach- und Schlafsystem gestört.
Abb. 6.5: Ruhe-Aktivitäts-Rhythmus
eines Narkoleptikers und eines Gesunden. Narkoleptiker leiden unter unwiderstehlichen
Schlafanfällen tagsüber und unter Schlafstörungen nachts.
Der Ruhe- Aktivitäts-Rhythmus eines Narkoleptikers und eines Gesunden
wurde länger als einen Monat ununterbrochen aufgezeichnet. Jede waagrechte
Linie entspricht einem Tag (von Uhr bis anderntags 17 Uhr), die Aufzeichnung
beginnt oben. Die Wachaktivität des Narkoleptikers ist immer wieder
durch kürzere Schlafperioden unterbrochen. Die Nächte zeigen
außerordentlich viel Bewegungsaktivität als Ausdruck der massiven
Schlafstörung. Im Gegensatz zum Gesunden unterscheidet sich die Bewegungsaktivität
des Narkoleptikers tagsüber und nachts nur wenig. Dies kommt auch
in den zuunterst dargestellten, über die ganze Registrierdauer gemittelten
Kurven zum Ausdruck. (Aus einer Untersuchung in Zusammenarbeit mit Dr.
A. Wettstein.) (58k JPG file)
Schnarchen und Schlafapnoe
Patient zum Arzt: »Herr Doktor, was soll ich
machen? Ich schnarche so laut, daß ich nachts immer wieder aufwache.«
Arzt: »Nehmen Sie diese Tabletten vor dem Schlafengehen, und wenn
sie Ihnen nicht helfen, schlafen Sie in einem anderen Zimmer!«
Das Schnarchen ist ein beliebtes Thema von Anekdoten
und Witzen. Ein ungebührlich laut schnarchender Bettpartner ist aber
auch eine häufige Ursache von Ehestreit und kann sogar ein Scheidungsgrund
sein. Wie berichtet wird, brachte ein Ehemann seine Frau wegen Körperverletzung
vor Gericht. In ihrer Verteidigung führte diese an, sie habe während
einiger Zeit dem unerträglichen Schnarchen ihres Mannes zugehört,
dann ihren Mann dreimal gebeten, sich auf den Bauch zu drehen, und als
er es nicht tat, ihn leicht mit einer Keule beklopft.
Wie eine Umfrage der Weltgesundheitsorganisation
in Italien ergab, schnarchen zehn Prozent aller Erwachsenen so laut, daß
es im Nebenzimmer hörbar ist. Das wird auch als »heroisches«,
oder »legendäres« Schnarchen bezeichnet. Messungen haben
Lautstärken bis zu 80 Decibel ergeben, einen Lärmpegel, der demjenigen
eines Preßlufthammers (70-90 Decibel) nahekommt. In Umfragen wurde
festgestellt, daß rund 31 Prozent der Männer und 19 Prozent
der Frauen Nacht für Nacht schnarchen. Vor allem im Tiefschlaf ist
das Schnarchen intensiv und nimmt im REM-Schlaf ab oder verschwindet völlig.
Mit fortschreitendem Alter wird Schnarchen häufiger.
Wie entsteht dieses störende Geräusch?
Wie wir bereits gesehen haben, nimmt die Muskelspannung nach dem Einschlafen
ab. Besonders wenn man auf dem Rücken liegt, rutschen Zunge und Unterkiefer
etwas nach hinten, was den aus der Nasenhöhle kommenden Luftstrom
behindern kann. Die Folge ist, daß der Schläfer durch den Mund
atmet. Die rasch eingesogene Luft versetzt das Gewebe der oberen Luftwege,
besonders den weichen Gaumen und die Gaumensegel, in Schwingungen, die
als Schnarchlaute hörbar werden. Besonders übergewichtige Personen
schnarchen häufig. Ihr Leibesumfang zwingt sie, auf dem Rücken
zu schlafen, und das im Rachen eingelagerte Fett begünstigt die Schwingungen.
Abmagern hat sich schon oft als wirksame Behandlungsmethode des Schnarchens
erwiesen. Gelegentlich wird auch der »Schnarchball« verwendet:
eine harte kleine Kugel (z. B. ein Golfball), die auf der Rückseite
des Pyjamas eingenäht wird und verhindern soll, daß der Schläfer
auf dem Rücken liegt. Kinnbinden werden ebenfalls als Anti-Schnarchmittel
angewendet. Neuerdings gibt es sogar ein Schnarch-Feedback-Gerät,
das bei einem Schnarchlaut dem Schlafenden einen schwachen Stromstoß
versetzt.
Schnarchen kann aber auch als Folge krankhafter
Veränderungen in den Luftwegen entstehen: Erkältungen, Allergien
und Nebenhöhlenerkrankungen, bei Kindern auch häufig vergrößerte
Rachenmandeln können das Atmen behindern. Erst in den letzten Jahren
wurde man gewahr, daß lautes Schnarchen auch als Symptom einer schwerwiegenderen
Störung, der Schlafapnoe (A-pnoe = ohne Atmung) auftreten kann.
Die Schlafapnoe ist eine Atemstörung im Schlaf,
die sich als wiederholt auftretende Perioden von Atemstillstand äußert.
Sie können einige hundert Mal pro Nacht auftreten und dauern gewöhnlich
nur wenige Sekunden, können aber in Extremfällen bis zu zwei
Minuten bestehen bleiben. Während der Atem stillsteht, wird der Schläfer
zunehmend unruhig und dreht sich heftig im Bett, ohne aber dabei aufzuwachen.
Sobald die Atmung wieder einsetzt, kommt es zu einem lauten, explosiven
Schnarchen. Apnoe-Patienten sind häufig übergewichtige Männer
über vierzig Jahre, seltener Frauen. Während der Atemstillstand-Episoden
schließen sich die oberen Luftwege und verhindern das Einatmen. Der
Verschluß ist wahrscheinlich auf einen abnormen Abfall der Muskelspannung
im Rachenraum zurückzuführen. Die Ursache der Störung ist
unbekannt, doch wird eine erbliche Veranlagung vermutet.
Die Schlafapnoe hat zwei verschiedene Auswirkungen.
Erstens kommt es in den meisten Fällen zu einer übermäßigen
Schläfrigkeit tagsüber, die häufig so ausgeprägt und
störend ist, daß die Patienten den Arzt aufsuchen. Das Schlafbedürfnis
ist wahrscheinlich die Folge der Atemstörung im Schlaf, die, ohne
Wissen des Betroffenen, zu einem Schlafdefizit fahrt. Die Apnoe hat aber
häufig noch eine zweite, schwerwiegendere Folge: Während der
Atemstillstands-Perioden sinkt die Sauerstoffkonzentration im Blut ab,
was zu einem chronischen Sauerstoffdefizit im Körper führen kann.
Dadurch können Kreislaufstörungen auftreten, insbesondere eine
Erhöhung des Blutdrucks im Lungenkreislauf sowie Herzrhythmusstörungen.
Schlafmittel und Alkohol verschlimmern die Schlafapnoe, da sie die Atemtätigkeit
im Schlaf zusätzlich dämpfen. Manche Forscher vermuten, daß
die Schlafapnoe eine wichtige Ursache vieler ungeklärter Todesfälle
ist, die bei älteren, übergewichtigen Personen im Schlaf auftreten.
Leider ist die Behandlung dieser Störung schwierig. Die Reduktion
des Körpergewichts kann sich günstig auswirken. In sehr schweren
Fällen muß ein Luftröhrenschnitt durchgeführt werden,
um die Atmung nachts zu gewährleisten.
Atemstillstand im Schlaf kann auch schon bei Kindern
vorkommen. Es wird vermutet, daß der plötzliche »Krippentod«
von Säuglingen auf diese Ursache zurückzuführen ist. Offenbar
ist auch bei dieser Störung eine erbliche Veranlagung vorhanden, da
nach statistischen Erhebungen Geschwister der betroffenen Kinder viel mehr
gefährdet sind als fremde Säuglinge. Es gibt Hinweise, daß
solche Kinder weniger leicht aus dem Non-REM-Schlaf aufwachen und möglicherweise
deshalb eher das Opfer eines Atemstillstands werden. Verschiedene Forschergruppen
sind dabei, dieses Problem intensiv zu untersuchen, und es ist zu hoffen,
daß es bald gelingen wird, die Ursache dieser tragischen Todesfälle
aufzuklären und sie dann wirksam zu verhindern.
Von den fast siebzig Arten von Schlaf- und Wachstörungen,
die unterschieden werden, haben wir hier nur einige wenige besprechen können.
Solche, die mit Rhythmusverschiebungen (z. B. Schichtarbeit) in Beziehung
stehen, werden wir noch in Kapitel 11 kennenlernen. Die hier erwähnten
Beispiele sollten aber genügen, um uns zu vergegenwärtigen, daß
weder der ruhige, ungestörte, erholsame Nachtschlaf noch das ausgeruhte
Wachsein Selbstverständlichkeiten sind. Schlafstörungen sind
zwar selten lebensbedrohend, können aber die Lebensqualität in
subtiler und nachhaltiger Weise beeinträchtigen und müssen daher
ernstgenommen werden.
Abb. 6.6: Schnarchen. Schnarchen
kann zum »sozialen« Problem werden (Schlagzeile in der Tageszeitung
Blick, 5. November 1983.) (17k JPG file)
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